Kommunalforum 2010
Städte und Gemeinden klagen über immer mehr Aufgaben ohne finanziellen Ausgleich
von Brunhilde Arnold
Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise stellen insbesondere die Landkreise, Städte und Gemeinden vor enorme Herausforderungen. Einbrechende Steuereinnahmen einerseits und steigende Ausgaben als Folgen der Krise andererseits waren daher das Hauptthema beim Kommunalforum der Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg in Baden-Baden am 19. Oktober 2010.
Über 600 Landräte, Oberbürgermeister, Bürgermeister und Kämmerer sowie viele Vorstände und Kommunalkundenbetreuer der Sparkassen waren gekommen, um sich über Entwicklungsmöglichkeiten der Städte und Gemeinden vor dem Hintergrund leerer Kassen zu informieren. Der ehemalige Intendant des WDR und Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH, Fritz Pleitgen, moderierte den Tag, der unter der Frage "Kommunen von morgen-was macht sie attraktiv?" stand.
Mittelstand, Kommunen und Sparkassen im Verbund
Deutschland habe besser als andere Länder in Europa die Krise gemeistert, sagte Sparkassenpräsident Peter Schneider. Ein wichtiger Grund dafür sei die dezentrale Struktur der lokalen Akteure Mittelstand, Kommunen und regionalen Finanzdienstleistern wie den Sparkassen. Der Mittelstand sei wieder voll durchgestartet, so Schneider, und die leistungsfähigen Kommunen böten den Unternehmen ein attraktives Umfeld sowie die nötige Infrastruktur.
Die Sparkassen-Finanzgruppe als Teil des dezentralen Netzwerks vergibt in Baden-Württemberg nicht nur die Hälfte der Mittelstandskredite, sondern als Hausbank der Kommunen auch gut drei Viertel der Kommunalkredite. Die "margenarmen Geschäfte" könnten aber durch ein "Regulierungsfeuerwerk" aus Brüssel und Berlin gefährdet werden. Die Sparkassen könnten nicht einerseits immer mehr Kredite vergeben und andererseits immer mehr zahlen. Schneider: "Der Weg in die Kreditklemme wäre dann vorgezeichnet." Unter großem Beifall der Zuhörer wehrte sich Schneider energisch gegen den EU-Plan, die bewährte Institutssicherung der regionalen Institute durch eine allgemeine, deutlich niedrigere Einlagensicherung zu ersetzen.
Mehr Geld für die Kommunen
Der baden-württembergische Finanzminister Willi Stächele versicherte den Vertretern der Kommunen, dass das Land nichts tun werde, was in die kommunalen Kassen - über das Bestehende hinaus - Löcher reißen würde. Das Verhältnis von Kommunen und Land sei traditionell gut, hob der Minister hervor. Es gebe kein anderes Land, in dem alle Kommunen zusammen so wenig Schulden hätten, derzeit 12,8 Milliarden Euro.
Der Minister kam mit einer guten Botschaft nach Baden-Baden: Die Kommunen erhalten aus dem kommunalen Finanzausgleich 130 Millionen mehr, als bei der Steuerschätzung im Mai prognostiziert worden sei - insgesamt 5,4 Milliarden Euro.
"In den Kommunen brechen alle Dämme"
Im Gegensatz dazu zeichnete Professor Stefan Gläser, Hauptgeschäftsführer des Städtetags Baden-Württemberg, ein düsteres Bild von der finanziellen Situation der Kommunen in Baden-Württemberg. Nach dem Prinzip "Ober sticht Unter" würden die Kommunen als Reservekasse von Bund und Land betrachtet. Während in guten Jahren bei den Städten und Gemeinden Reserven angelegt werden konnten, "brechen jetzt alle Dämm". Kaum eine Kommune könne noch einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Die Krise der kommunalen Finanzen sei eine Krise der kommunalen Selbstverwaltung. Gläser sprach von einem "Griff des Landes in unsere kommunale Finanzmasse".
Neben den explosionsartig wachsenden Kosten für Kinderbetreuung - vor allem durch den Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen - belasteten die steigenden Ausgaben für die Sozialhilfe die kommunalen Kassen gewaltig. Allerdings möchte Gläser die Entwicklung aus einem anderen Blickwinkel sehen: Nicht die kommunalen Ausgaben explodierten, sondern man werde per Gesetz zu immer mehr Ausgaben gezwungen und "gibt uns nicht den von der Verfassung vorgesehen Ausgleich".
Globalisierung macht nicht vor Kommunen halt Auf weitreichende
Einflüsse künftiger Entwicklungen auch in den Kommunen wies der Chefvolkswirt der DekaBank, Dr. Ulrich Kater, hin. Unter dem Motto "think global, act local" betonte er die Bedeutung der Globalisierung gerade für die Regionen und Kommunen. Besonders die Regionen würden künftig - und zwar weltweit - um Wirtschaftsstandorte konkurrieren. Wichtig für die Kommunen sei es deshalb, möglichst viele Standortfaktoren beeinflussen zu können. Kater zeigte sich überzeugt davon, dass sich international ausgerichtetes Standortmarketing für die Kommunen lohnt.
Urbanes Wohnen wird wieder attraktive
Einen Blick in die Zukunft der Städte und Gemeinden warf der Leiter des Instituts für Wohnungswesen der Universität Bochum, Professor Volker Eichener. Jahrzehntelang hätten viele Menschen vom Wohnen im Grünen geträumt. Doch die Zeiten der Reihenhaussiedlungen auf dem Land gingen ihrem Ende entgegen, prophezeite der Sozialwissenschaftler. Es sei ein deutlicher Trend zur Urbanität zu erkennen. "Bis zum Jahr 2000 hatten kleinere Gemeinden mehr Zuzug zu verzeichnen als größere Städte, seit dem Jahr 2001 hat sich das umgekehrt", so Eichener. "Das liegt vor allem an einem steigenden Anteil junger Menschen, die jetzt ihren eigenen Haushalt gründen, an mehr Alleinlebenden und einer stärkeren Präferenz für das vielfältige Leben in der Stadt."
Urbanes Leben mit Gastronomie- und Freizeitangeboten mache die Städte zu attraktiven Standorten auch für Unternehmensansiedlungen. Für den Einzelhandel würden hingegen immer weniger Flächen benötigt, so Eichener. Künftig würden mehr Menschen bevorzugt in der City wohnen - in fußläufiger Entfernung zu Gastronomie und kulturellen Angeboten. Neben den Kommunen könnten auch die Sparkassen hier tätig werden, in dem sie solche städtische Wohn- und Freizeit- Projekte finanzierten und auch initiierten.
Wertschöpfung: Von der Industrie lernen
Was für die Industrie richtig sei, könne auch für Kommunen passen, nämlich sämtliche Prozesse auf Wertschöpfung und Verschwendung prüfen. Das schlug der Geschäftsführer der Porsche Consulting GmbH, Eberhard Weiblen, als möglichen "dritten Weg" vor. Mit der Konzentration auf die eigentliche Wertschöpfung könnten schlanke Prozesse eingeführt und die Effizienz erhöht werden. Mit diesem Vorgehen habe man den Autohersteller Porsche aus der Krise herausholen können, in die er Anfang der 90er Jahre gerutscht sei. Auch für die Kommunen könne es um Verschlankung von Prozessen ohne Investitionen gehen, also Leistungen steigern und gleichzeitig Kosten senken.